Lulo Reinhardt, Daniel Stelter, Der besondere Abend

20 Jahre “Der besondere Abend” in Borkheide

1:0 für die Kunst

Borkheide. Dieser „Besondere Abend“ ist ein ganz besonderer „Besonderer Abend“. Mit ihm feiert die Borkheider Kulturreihe im Fliegerheim ihr zwanzigjähriges Bestehen. Dagegen kommt nicht einmal das erste Spiel der deutschen Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland an, das zeitgleich angepfiffen wird. Der große Saal im Fliegerheim ist wie eh und je bis in den anschließenden Gastraum gefüllt. Anders als der Auftritt im Luschniki-Stadion, wird der im Fliegerheim ein voller Erfolg.

Der besondere Abend, Lulo Reinhardt
Lulo Reinhardt

Der Gypsy-Gitarrist Lulo Reinhardt und sein Kollege Daniel Stelter schaukeln sich zu Höchstform auf. Sie spielen u.a. Swing, Tango, Jazz, Flamenco und natürlich Gipsy, überwiegend selbst komponierte Stücke. Beim Tango hält es die Tango-Koryphäe Paco Liana und seine Partnerin Astrid Steinbach nicht mehr auf ihren Stühlen. Auch Amtsdirektor Marko Köhler ist begeistert: „Virtuos! Wenn man den Fingern der beiden zuschaut … einfach virtuos.“ Schon beim vierten Stück gibt es Brawo-Rufe und am Ende mehr als nur eine Zugaben.

Andreas Kreibich, Edda Haage, Der besondere Abend
Andreas Kreibich dankt Edda Haage für 20 Jahre “Der besondere Abend”

Immer wieder erzählt Reinhardt zwischendurch mit seiner warmen Stimme von der Entstehung seiner Stücke. Ob er an einem Gedenken im KZ Dachau teilnimmt, ob ihm sein Auto in Paris abgeschleppt wird oder ob er zu Filmaufnahmen nach Indien reist – alles gerinnt ihm zu Musik.

Der besondere Abend, Edda Haage
Lulo Reinhardt, Edda Haage, Daniel Stelter

Für Edda Haage, der vor allem die Borkheider diese zwanzig Jahre Kunstgenuss verdanken, haben Reinhardt und Stelter eine besondere Überraschung mitgebracht. Wie viele andere Künstler vor ihnen hatten sie bei Haage übernachtet. Als sie am Sonntag Morgen auf deren Balkon über ihre neuesten Stücke grübelten, fiel Stelter auf, dass jeder Buchstabe im Namen der ehemaligen Balletttänzerin einer Note entspricht: „Wer hat schon so einen Namen?“ Sie bauten die sich aus dem Namen ihrer Gastgeberin ergebende Tonfolge in ihr neuestes Stück ein und nannten es „Eddas Balcony“. Es soll auf der nächsten CD der beiden erscheinen. Prämiere war jedoch beim Jubiläum des „Besonderen Abends“.

Die Finanzierung der Reihe war nicht immer leicht, wie die frühere Borkheider Bürgermeisterin Angelika Schulz berichtet. Aber letztlich konnten die Gemeindevertreter, das Amt und sogar der Landkreis immer wieder neu bewegt werden, das notwendige Geld bereit zu stellen. Der Eintritt ist stets frei, lediglich um eine Spende wird gebeten. „Kultur ist ein Lebensmittel, ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen“, finden Haage und mit ihr zahlreiche Menschen aus Borkheide und Umgebung.

20 Jahre “Der besondere Abend“ (1998 – 2018) – Ein Rückblick

Weit über die Grenzen unseres Ortes bekannt und von Kulturinteressierten aus der näheren und weiteren Umgebung gut besucht, besteht Borkheides Kulturreihe „Der besondere Abend“ seit 1998.

Seine Entstehung ist eher ein Zufallsprodukt aus einer spontanen Verabredung des damaligen brandenburgischen Kulturministers Steffen Reiche mit dem, gerade erst aus Hamburg zugezogenen Kammersänger Peter Haage, zu einer Lesung mit Gesang, in Borkheide. Aber wie das mit spontanen Dingen so ist, man hatte einen Tag vor der Veranstaltung noch keinen Pianisten. Der rettende Engel war Werner Scholl aus Potsdam.

Der Saal des Hotel „Fliegerheim“ war gut gefüllt, meist mit Menschen die aus reiner Neugier kamen. Es wurde ein voller Erfolg! Die Reaktion vieler Leute nach der Veranstaltung war, man sollte so etwas unbedingt wiederholen. Daraufhin machte Peter Haage einen zweiten, ebenso erfolgreichen Versuch mit einem Kammerkonzert, bei dem Musiker aus dem Bekanntenkreis spielten. Dennoch hätte damals niemand gedacht, dass daraus eine zwanzig Jahre währende Veranstaltungsreihe in einem kleinen Ort in der Mark entstehen würde die sich in der Region zu einer Besonderheit entwickelte, ja sogar damals Vorbildfunktion hatte. Nun musste das Kind aber auch einen Namen haben. Kurz entschlossen wurde daraus „Der besondere Abend“. Edda Haage, als ehemalige Balletttänzerin sozusagen vom Fach, übernahm den Part fürs Administrative. Hierfür von Nutzen war die Erfahrung, die sie seit zwei Jahren mit der Organisation von Weihnachtskonzerten in Borkheide gesammelt hatte.

Leider verstarb Peter Haage am 23. Juni 2005. Im November veranstalteten die Pianistin Anna Skryleva, (sie ist inzwischen eine erfolgreiche Dirigentin) und die Bratscherin Marjana Vozovic (weltweit gefragt als Bratsche spielende Artistin) ein Gedenkkonzert: „Erinnerungen an einen Freund“. Das war das Signal für Edda Haage weiter zu machen.

Neben ihren Förderungen für die örtlichen Vereine, stellt die Gemeinde Borkheide jährlich einen kleinen Etat für den besonderen Abend zur Verfügung und vor einigen Jahren wurde sogar ein neuer Flügel angeschafft. Seit vielen Jahren gibt es auch einen Zuschuss von der Kulturförderung des Landkreises-Potsdam-Mittelmark. In den zwanzig Jahren ihres Bestehens zeichnet es die kleine Kulturreihe aus, dass sie mit wenig Geld Vielfalt und vor allem künstlerische Qualität bietet. Damit sich jeder Kultur leisten kann gilt, statt Eintritt zu verlangen das Solidarprinzip, das heißt jeder spendet nach seinem Geldbeutel, was sich in all den Jahren immer gut gerechnet hat. Die Organisatorin arbeitet nach wie vor unentgeltlich.

Bei den meist durch klassische Musik geprägten Veranstaltungen traten neben jungen aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern, von denen später viele Karriere machten, auch so arrivierte wie zum Beispiel von der „Staatskapelle Berlin“, Musiker der sogenannten ersten Pulte des „RSB“, die „Berliner Harmoniker“ mit Musikern der „Berliner Philharmoniker“, Solisten des „SWR Rundfunkorchesters Kaiserslautern“ und sogar des „New York Philharmonic Orchestra“ auf.

Im Laufe der Jahre wurde das Programm auch anderen Genres geöffnet. Neben Commedia dell’arte konnte man auch mal Tango mit dem bekannten argentinischen Bandoneonisten Stazo Major hören, „Some Handsome Hands“ sechs Hände an einem Flügel, die Gospeldiva Deborah Woodson, Rock‘n Roller aus Hamburg (mit Mathias Haage), die Vizeweltmeisterin der Singenden Säge, Swing, Lesungen, Liederabende, Klavierrecitals, Kammerchöre, kleine Schauspiele, Flamenco, Glasorgel, Handglockenchor, etc. erleben. Es gab Erstlesungen der damals in Borkwalde lebenden Schriftstellerin Andrea Jennert, des Borkheider Krimiautors Uwe Schomburg und der Heimatschriftstellerin Monika Stechbarth, aus Brück.

Es gäbe noch unglaublich vieles aufzuzählen und vieles zu erzählen. Doch eine der Eigenproduktionen des besonderen Abends wäre zum Schluss des Rückblicks noch zu erwähnen, nämlich „Mittelmärker lesen ihren Heine“ mit Landrat Koch, Pfarrer Baier, Amtsdirektor Großmann und den Kindern Marthe, Jasmin und Tim (alle drei inzwischen erwachsen), Manuskript Dr. Günther Taege (Borkheide).

Für Kinder werden bei jeder Veranstaltung Plätze in der ersten Reihe reserviert denn, wie heißt es bei Bettina Wegener: „Sind so kleine Seelen offen und ganz frei…“.

Wahlspruch des besonderen Abends:

„Kultur ist ein Lebensmittel, ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen.“

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