Autogottesdienst, Brück

Brück: Im Auto beim Gottesdienst auf der Titanenrennbahn

Brück. “Eure wichtigste Übung heute ist, im Auto zu bleiben, denn wir dürfen uns nicht versammeln”, begrüßt pünktlich um 10:30 Uhr der Brücker Pfarrer Helmut Kautz die Insassen von fast einhundert Autos, die sternförmig vor der Lindenbrücke aufgestellt wurden. Es ist Coronazeit, es gilt die Eindämmungsverordnung, die nicht nur Versammlungen und Gottesdienste untersagt, sondern auch mindestens 1,5 Meter Abstand fordert. Trotzdem oder gerade deswegen ist der Halbkreis vor der Lindenbrücke gut gefüllt. Man sieht neben PM auch einige andere Autokennzeichen: B, EE, UM, TF, DD und MEI. Auch ein M ist darunter, aber das ist nur ein Dienstwagen. Nicht wenige haben ihr Auto extra gewaschen.

Autogottesdienst, Brück
Pfarrer Kautz mit Mund-Nase-Schutz

Claudia und Peter Scholz sind aus Borkheide rüber gekommen. “Verrückt, aber Klasse”, finden sie die Idee der Brücker Kirchengemeinde, einen Autogottesdienst durchzuzführen. Auch Thekla Schulze aus Groß Kreutz gefällt die Idee:

“Es erinnert mich an Autokino. Ich bin gespannt, wie es wird.”

Autogottesdienst, Brück
Einweiser

Gekommen ist Schulze auch wegen Pfarrer Kautz. So freut sie sich auf eine “typische Kautz-Predigt”:

“Nicht langweilig, sondern spritzig.”

Außerdem hat sie schon einige gute Freunde aus der Jugendorganisation CVJM gesehen:

“So können wir uns wenigstens mal von weitem zuwinken.”

Autogottesdienst, Brück, Helmut KautzKautz beginnt den Gottesdienst mit einer Feststellung:

“Wir sind seit 2000 Jahren im Krisenmodus.”

Und setzt mit einem Bonmot fort:

“Die Krone gehört dem Herren, nicht Corona.”

Autogottesdienst, Brück, Tobias Mundil
Tobias Mundil

Die eigentliche Predigt überlässt Kautz jedoch Tobias Mundil von der christlichen Gruppe “Begegnung Plus” aus Bad Belzig. Gemeinsam mit anderen trifft er sich regelmäßig zu regligiösen Gesprächen, Predigten – und Essen.

Mundil gruppiert seine Predigt um eine aktuelle Frage, die sich gegenwärtig viele Menschen stellen, Gläubige wie Ungläubige:

“Warum?”

Warum lässt Gott das zu? Warum bin ich krank? Warum gibt es keine Gerechtigkeit?

“So lange es gut läuft, läuft es auch mit dem Glauben gut. Aber in Krisen gerät auch der Glaube an Gott schnell in eine Krise.”

Immer wieder zeiht er die Erzählungen aus dem Neuen Testament ins heute. Krisen wird es immer geben:

“Doch damals wie heute gibt die Begegnung mit Gott Kraft.”

Autogottesdienst, Brück, Judith Janzen
Judith Janzen

Judith Janzen hat den musikalischen Teil übernommen. Zwar darf seitens des Katastrohenschutzes keine Musik eingespielt werden, aber singen ist erlaubt. Viele Autoinsassen singen mit, nach jedem “Haleluja” hupen alle zweimal. Dabei bleibt zu hoffen, dass das Auto seitens der Behörden nicht als Musikinstrument gewertet wird.

Zum Gebet können sich die 42 Teilnehmer via Zoom einklinken. Eine Zoom-Teilnehmerin bedankt sich bei Gott, dass er in Krisenzeiten neue Türen öffnet. Kautz schließt in sein Gebet ausdrücklich Amtsträger von der Bundeskanzlerin bis zu den regionalen Politikern ein. Er wünscht ihnen “Weisheit, Kraft, Liebe und Besonnenheit, den Weg zu gehen, den wir mitgehen müssen.”

Die Kollekte, die bei der Ausfahrt mittels einer großen Kiste auf die Teilnehmenden wartet, dient zur Hälfte der eigenen Arbeit, zur anderen dem kirchlichen Fernunterricht und der offenen Altenpflege – zwei in die Coronazeit passenden Themen.

Nach dem Gottesdienst zeigt sich Kautz zufrieden, ja begeistert. Einer der zur Zeit ganz wenigen Gottesdienste im Land Brandenburg war erfolgreich. Die Teilnehmer bedanken sich beim Organisationsteam, bei Kautz, Mundil und Janzen mit einem großen Hupkonzert. Sara Schmid, die bei der Organisation geholfen hat, teilt die Begeisterung des Pfarrers: “Das war Spitze. Die drei Leute auf der Lindenbrücke haben total harmoniert.”

Dabei war die Idee nicht einmal eine Woche zuvor geboten worden, nämlich am Ostermontag. Ungeachtet der kurzen Zeit klappt alles hervorragend. Doch auf die Frage, wann es den nächsten Autogottesdienst in Brück geben wird, muss der Pfarrer erst einmal nur glücklich lachen.

Autogottesdienst, Brück

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