Werder (Havel). Es sind mehr als 50 Kartons, vollgepackt mit Werderaner Stadtgeschichte: Der Stadtchronist und Ehrenbürger Dr. Baldur Martin hat – kurz vor seinem 85. Geburtstag – seine komplette Sammlung dem Werderaner Stadtarchiv übertragen. Es handelt sich unter anderem um Manuskripte, historische Urkunden, Druckerzeugnisse und Fotos. „Mir ist es wichtig, dass die Sammlung erhalten bleibt“, sagt Dr. Martin. Beim Stadtarchiv sieht er sie in guten Händen.
Begonnen hatte seine Leidenschaft für die Heimatforschung und das Sammeln im Jahr 1962: Für sein Geografie-Staatsexamen hatte sich Dr. Martin mit der Siedlungsflächenentwicklung von Werder (Havel) befasst. Mehr als 60 Jahre trug er alles zusammen, was ihm über das frühere und aktuellere Stadtgeschehen zwischen die Finger kam. Und wurde seit den 1980er-Jahren der wichtigste Impulsgeber der Werderaner Heimatforschung.
Unterlagen drei Monate lang sortiert
Die Unterlagen und Objekte reichen vom 18. Jahrhundert bis in die jüngste Stadtgeschichte. Wandzeitungen aus dem DDR-Jugendobjekt Havelobst, historische Fotos von Hochzeitsgesellschaften auf der Bismarckhöhe oder frühere Polizeiverordnungen gehören zu dem Konvolut. Es gibt eine Festschrift zum 200. Jahrestag der Schützengilde, eine touristische Werbebroschüre, die der Verkehrsverband im Jahr 1929 gemeinsam mit dem Magistrat herausgeben hat, oder eine Veröffentlichung zur Heimatwoche im Jahr 1959: 500 Jahre Stadtrecht wurden da gefeiert. Dabei bezog man sich auf eine Urkunde von Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg.

„Im Stadtarchiv routiniert gelenkt und bestärkt durch die Aufgeschlossenheit der Stadtverwaltung“, hat Baldur Martin die in seinem Keller aufbewahrten Papiere und Dinge gut drei Monate lang sortiert und an die Stadt übertragen. Bemerkenswert an der Sammlung sind die Schenkungen Werderaner Familien: Als beispielsweise die Fleischerei auf der Inselstadt ihre Türen geschlossen hatte, erhielt der bekannte Heimatforscher aus dem Nachlass der Fleischerfamilie Diedloff eine Mappe mit historischen Unterlagen der Werderaner Fleischerinnung. Dokumente, Patente und Geburtsurkunden – vermutlich von Mitgliedsfamilien der Innung – sind darin enthalten.
Urkunden aus dem 18. Jahrhundert
Allein beim Blick auf einen gesiegelten Gesellenbrief aus dem Jahr 1770 dürfte das Herz von geschichtsinteressierten Werderanern höher schlagen: Er habe sich in seiner dreijährigen Lehrzeit „ehrlich, redlich, fromm und treu gegen seinen Lehr-Meister“ verhalten, wird einem Johann Christian Zaehdel darin bestätigt. Eine ganze Reihe von weiteren Gesellenbriefen und „Copien“ aus jener Zeit sind erhalten geblieben. Auch Fragmente einer Innungskette und mehrere Meisterbriefe und Urkunden mit Hängesiegel gehören zur Diedloff-Schenkung.

Unter den Familienschenkungen ist auch die Besitzurkunde einer „Silbernen Staatsmedaille“ zu finden, die Obstzüchter Wilhelm Seiler in Anerkennung seiner Leistungen bei der Berliner Frühobstausstellung im Juni 1910 erhalten hat. Oder eine Bau-Zeichnung des Baumeister Kurt Berndt, mit der er im Jahr 1903 die Errichtung eines „Thonschneider-Gebäudes“ auf dem Gelände des „Ziegelei-Etablissements“ am Strengfeld-Ufer des Glindower Sees beantragt hat. Oder ein über 100 Jahre altes Fotoalbum mit Samtdeckeln und vergoldeten Beschlägen, das zu weiteren Nachforschungen einzuladen scheint. Auch der Nachlass der zurückhaltenden Künstlerin Irma Jentzsch, die von Werder (Havel) begeistert war, wurde auf Wunsch ihres Gatten der Nachwelt erhalten.
Bürgermeisterin: „Stadtarchiv um wertvolle Stücke bereichert“
„Dr. Baldur Martin wirkt mit seinen vielfältigen Veröffentlichungen bis in die Gegenwart identitätsstiftend für die Stadt Werder (Havel)“, sagt Bürgermeisterin Manuela Saß. An den gesammelten Unterlagen seien seine umfangreichen Recherchen zu unterschiedlichsten Themenbereichen oft sehr gut nachvollziehbar:
„Mit der kostenlosen Schenkung seiner Sammlung hat er das Stadtarchiv um einige wertvolle und bemerkenswerte Stücke bereichert. Dafür möchte ich mich bedanken.“
Vereinbart wurde, dass der Werderaner Heimatverein und die Gilde der Stadtführer eine schriftliche Übersicht über die Sammlung bekommt und sie – wie auch Mitglieder der Familie Martin – kostenlos nutzen kann. „Es würde mich nicht überraschen, wenn sich daraus noch die eine oder andere spannende Erkenntnis zur Werderaner Stadtgeschichte ergibt“, so die Bürgermeisterin.
(Stadt Werder (Havel))
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Eine Antwort
Ich kennen Dr. Baldur Martin über 20 Jahre und blicke auf eine enge freundschaftliche Zusammenarbeit in diesen Jahren zurück. betrachte mich auch als einen Heimatforscher, wenn auch inhaltlich begrenzt auf den Galgenberg und dessen Geschichte mit der Bismarckhöhe und der Verbindung zum Dichter Christian Morgenstern.
Ich zolle dem Schenkungsakt meinen großen Respekt Baldur gegenüber und beglückwünsche das Stadtarchiv zu, diesem Fundus. Für das Stadtarchiv wird es auch eine große Herausforderung sein, diese neuen Schatz nicht nur gut zu bewahren, sondern auch nutzbar zu machen.
ich erlebe gerade wie wichtig und wie schön es ist Geschichten und Geschichten zu sammeln und hoffe der Öffentlichkeit noch 2025 einen Sammelband mit 30 bis 40 Geschichten aus und mit Werder präsentieren zu können.
Mit besten Grüßen an alle Beteiligten und Leser dieses Kommentares
Achim Reinhard Risch