Zwischen Resignation und Hoffnung – Philosophie traf Kunst in der Alten Brücker Post

Brück. Die drei Begriffe Moral, Würde und Werte ziehen Ende April über 30 Menschen in die Alte Brücker Post. Eingeladen hat der Philosophische Gesprächskreis der Einrichtung zu einer Diskussionsrunde mit Künstlern, die parallel eine Ausstellung mit zum Thema passender Kunstwerke eröffnen. Durch die Debatte leitet Sebastian Rosengrün, der sich beruflich mit digitaler Technikphilosophie, sprich mit KIs und Moral beschäftigt.

Gerd Schneider, Alte Brücker Post, Brück
Gerd Schneider

Doch um Künstliche Intelligenz soll es nur am Rande gehen. Mit dabei ist auch der Regisseur Gerd Schneider. Durch den Verweis auf dessen Film „Verfehlung“ von 2015, in dem es um den Missbrauch in der katholischen Kirche geht, ist ein erstes Thema schnell gesetzt. Schneider blickt in dem Film nicht in erster Linie auf die Opfer oder die Täter. Vielmehr richtet er den Blick „auf die, die von außen schauen“. Den kenne ich gut, bei dem doch nicht. Oder ist vielleicht doch etwas daran? Schneider kennt die katholische Kirche von innen, schließlich wollte er selbst einmal Priester werden und arbeitete im Seelsorgeteam einer Justizvollzugsanstalt.

Gerd Schneider, Alte Brücker Post
Gerd Schneider

Es geht in der weiteren Diskussion um den Tod, wozu Gerd Schneider einen Ausspruch zitiert:

„Der Tod ist das letzte Abenteuer des Lebens. Und da will ich mitbestimmen.“

Natürlich geht es auch um Kunst. Gerd Schneider erzählt von seinen Bildern in Filmen, die sich meist aus den Themen ergeben.

Ricarda Müller, Alte Brücker Post
Ricarda Müller

Hausherrin Ricarda Müller lenkt das Thema in allgemeinere Richtungen mit ihrer Frage:

„Kannst du durch deinen Film etwas bewirken?“

„Das weißt du nie“, bekommt sie von Gerd Schneider zur Antwort, und:

„Er sei da Berufsoptimist.“

Yuri Schipulin, Alte Brücker Post, Brück
Yuri Schipulin

Yuri Schipulin, einer der mitdiskutierenden Künstler ergänzt:

„Ein Leben mit sauberem Gewissen ist eine Kunst.“

Juergen Motzel, Alte Brücker Post, Brück
Juergen Motzel

Doch so optimistisch bleibt es an diesem Abend nicht. Juergen Motzel glaubt zwar auch an das Gute, aber:

„Wir sind umzingelt von Idioten. Mit wem kann man noch reden?“

Wie soll man reden mit denen, die das nicht interessiert? Mit denen, die das nicht können? „So schön das ist, dass wir hier zusammen sind, wir sind wenige“, setzt er hinzu und bekennt, nicht mehr in den Kommentarspalten lesen zu können. Und wenn jetzt KIs alles machen, wo sind dann noch Werte?

„Aber wer Kunst macht, kann nicht aufhören, an das Gute zu glauben.“

José Nuevo, Alte Brücker Post, Brück
José Nuevo

José Nuevo, selbst Katholik, meint zwar, dass man nicht Katholik sein muss, aber:

„Es braucht Regeln, wie man leben soll. Jeder sollte versuchen, einen geraden Weg zu gehen.“

Doch auch er kann „die Narren nicht mehr ertragen“. Offenbar traf er damit beim Auditorium bezogen auf die Kirche einen Nerv. Auf die Frage von Ricarda Müller in die Runde, wer von den Anwesenden aus der Kirche ausgetreten sei, meldeten sich immerhin sechs Personen.

Die weitere, immer spannende und anregende Diskussion drehte sich um das Grundgesetz als Orientierung, um Generationenkonflikte und Klimakleber. Letztere wurden nicht nur kritisch diskutiert:

„Die Jungen haben das Gefühl: ‚Uns hört niemand mehr zu!‘ Außerdem ist es ist eine große Herausforderung, sich vom Sofa zu erheben und aktiv zu werden.“

Bei der Jugend angekommen waren die meisten der Diskutierenden jedoch pessimistisch. Diese denke nur noch an Geld, glaube, dass alles immer gleich da sein müsse, und Berufswunsch sei Influencer.

Doch es gab auch Hoffnungsschimmer in der Diskussion an diesem Abend. Viele Jugendliche spürten, dass nichts davon sie glücklich mache. Gerd Schneider zog dann einen Schlussstrich für diesen Abend:

„Es geht nur im Dialog. Du bist ein Mensch. Ich bin einer. Du hast Ohren, ich habe Ohren. Hören wir einander zu.“

Für die musikalische Umrahmung und auch Entspannung sorgte die Jazzgruppe „Mood 4 Groove“. Eine gelungene Kombination.

Fazit

Solche Gesprächsrunden wünscht man sich öfter und mehr Menschen, die mitdiskutieren. Schade nur, dass an diesem Abend dabei die Kunst ein wenig in den Hintergrund trat.

Doch die Ausstellung „Moral – Würde – Werte“ kann noch bis zum 7. Oktober 2023 besichtigt werden.

Es gibt auch regelmüßig Gespräche mit den beteiligten Künstlern, schon morgen zum Beispiel mit Yuri Shipulin. Am 14. Mai ist Andrea Jennert zu Gast.

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Eine Antwort

  1. Für die Berichterstattung, die tollen Fotos, mit denen die Atmosphäre des Abends gut eingefangen wurde, habe ich ja bereits genug gelobhudelt… Bevor aber ein unnötiger Shitstorm losbricht, möchte ich schon darauf hinweisen, dass ein so aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat schnell zu Mißverständnissen führen kann.
    Ich lehne es ab, Andere pauschal als “idioten” zu bezichnen. Es sollte ein Bild dafür sein, daß die “Idioten” mächtiger sind als wir. Sie sind in der Überzahl, und wir sind umzingelt! Sei sind überall. Das kann jeder für seinen ureigenen Lebensbereich vielleicht täglich nachvollziehen. Wer den gesamten Abend miterlebt hat, weiß auch, daß die Hoffnung nicht gestorben ist.
    Ein “Erziehungsverantwortlicher” gab meines Erachtens das beste Zitat des Abends von sich:
    “Alles beginnt mit der Liebe! In der Familie, im Umfeld, in der Schule, im Beruf, im täglichen Leben. Wenn da nichts ist, dann wirds halt nichts.” Dem ist nichts hinzuzufügen. Best! JM

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