Viel zu viel Wasser in Ahrweiler….

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„Hat zufällig jemand Interesse an fünf Tagen Rheinland-Pfalz? Abfahrt morgen 18 Uhr, bis Sonntag.“ – so stand es Montagabend im Feuerwehrchat. Am nächsten Tag hieß es: verschiebt sich um einen Tag, Einsatzdauer vor Ort: 48 Stunden.

Drei Kamerad:innen der Freiwilligen Feuerwehr Gömnigk fühlten sich angesprochen und meldeten sich beim Ortswehrführer Stefan Hoffman.

Am Folgetag hatten sich insgesamt acht Kameradinnen und Kameraden der Brücker und Gömnigker Ortswehren bereit erklärt. Sie trafen sich am frühen Nachmittag am Gerätehaus in Brück-Rottstock, wo ihnen Amtsdirektor Marko Köhler persönlich ein gutes Gelingen wünschte. Danach ging es zum Sammelplatz am Feuerwehrtechnischen Zentrum (FTZ) in Beelitz-Heilstätten. Dort warteten 139 Helfer mit 37 Fahrzeugen auf das Abfahrtssignal. Zuvor verabschiedeten Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen, Landesbranddirektor Michael Koch, Landrat Wolfgang Blasig und Kreisbrandmeister Jens Heinze die Helfer.

Geführt wurde der Einsatz vom stellvertretenden Kreisbrandmeister Andy Laube, Aufbruch war kurz nach halb sechs abends. Die Stimmung war freudig-angespannt: was würde uns erwarten? Jeder hatte bereits die Bilder in den Medien gesehen. Auf jeden Fall gigantische Zerstörungen. Außerdem gab es auch immer noch viele Vermisste…

Den ersten Daumen nach oben gab’s im Raum Niemegk, wo sich die zu Hause gebliebenen Kameraden auf eine Autobahnbrücke gestellt hatten und den Konvoi mit Blaulicht verabschiedeten. Dann ging der lange Ritt weiter. Gut 600 Kilometer, geschätzte Fahrzeit: 14 Stunden, Ankunft also zwischen 7 und 8 Uhr morgens.

Alle 200 Kilometer war ein Tankstopp durchzuführen, was sich erstaunlich effizient gestaltete: die Motorradstaffel erkundete die in Frage kommende Tankstelle. Dann wurde der gesamte LKW-Bereich gesperrt, sodass unsere Kolonne an allen Säulen gleichzeitig tanken konnte. An jeder Säule stand ein Helfer, der den Tank vollmachte und dann das nächste Fahrzeug heran rief. Ging sowieso alles auf eine Rechnung. Kurzer Sanitärstopp, eventuell einen Kaffee und weiter ging’s.

Am Nürburgring haben wir dann schnell unseren Bereitstellungsraum, sprich unser Camp, gefunden, Zelte aufgebaut, die Versorgung betriebsbereit gemacht. Dann hatten wir erst mal Pause. Das war auch bitter nötig, denn so manch einer hatte unterwegs kaum geschlafen. Doch schon schneller ging es in den ersten Einsatz.

Die Feuerwehren und Rettungswagen waren in drei Züge aufgeteilt worden und wurden Zug um Zug auf den 30 Kilometer langen Weg nach Bad Neuenahr-Ahrweiler geschickt. Dabei fuhren wir durch verschlafene Eifeldörfer, idyllisch und scheinbar fern jeglicher Katastrophe. In Ahrweiler, unserem Ziel, mehrten sich bei der Abfahrt ins Tal die Autos mit dicker Staubschicht, und unten angekommen sahen wir zum ersten Mal das ganze Ausmaß der Zerstörungen. Ich will das nicht weiter ausmalen, jeder kennt inzwischen die Bilder, aber das „live“ zu sehen, ist nochmal etwas anderes.

Der Ort selbst war komplett verstopft mit Hilfsfahrzeugen: überall Trecker mit riesigen Anhängern, Radlader, Muldenkipper-LKW. Dazu nicht enden wollende Müll- und Schuttberge, zerstörte PKW aufgestapelt.

Wir haben mit unserem Zug Stellung in der Innenstad bezogen und einfach angefangen zu helfen: Schlamm schippen und mit Eimerkette nach draußen bringen, durchnässtes Mobiliar raustragen, stundenlang. Andere Helfer aus Kaiserslautern hatten gegenüber eine Essensausgabe aufgebaut, dort gab es den ganzen Tag kostenlos Erbsensuppe und Getränke. Zum Feierabend haben wir uns dort kurz niedergelassen, bevor es zurück zum Nürburgring ging.

Kurze Nachbesprechung, dann auf die Feldbetten. Am nächsten Tag ging es bald nach dem Frühstück wieder los.

Heute stand ein Altenheim auf dem Programm. In der Flutnacht konnten die gehbeeinträchtigten Bewohner aus dem Erdgeschoss geradeso durch das Personal in Sicherheit gebracht werden, bevor dort das Wasser auf einen Meter fünfzig stieg.

Wir hatten den Auftrag, die Keller, die bis zur Decke unter Wasser gestanden hatten, zu beräumen. Der Boden mit einer Schlammschicht und teilweise einer Handbreit Wasser, ein leicht muffiger Geruch von Büchern, Möbeln, Fahrrädern und Familienalben, die tagelang im Dreckwasser gelegen hatten – keine besonders gesunde Arbeitsumgebung. Ausgeleuchtet wurden die Keller von der Feuerwehr und mithilfe von Notstromaggregaten, denn es gab weit und breit weder Wasser noch Strom aus der Wand.

Am Ende des Tages galt es, Kleidung und Gerätschaften zumindest grob zu reinigen, denn der Schlamm würde nach dem Trocknen hart wie Beton werden. Abschließend ging es wieder durch die unschuldige Eifellandschaft zum Nürburgring, zu unserer letzten Nacht dort. Die Einsatzleitung bedankte sich bei den Kameraden, es folgten noch ein paar Instruktionen für die Rückfahrt am nächsten Tage, und dann wurde es recht schnell recht still im Lager.

Die Rückfahrt verlief unspektakulär, wir hatten die Anhänger etwas klüger über die Zugfahrzeuge verteilt, sodass eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht werden konnte. An der Landesgrenze gab es dann noch Willkommensworte und ein Dankeschön – und als ungeplante Sondereinlage einen Chorgesang einer Gruppe Fußballfans, die zufällig zeitgleich dort eintrafen.

In Brück dann eine zweite Überraschung: die Daheimgebliebenen hatten eine Willkommensparty vorbereitet! Von einer „Schön, dass Ihr wieder da seid“-Girlande über Blaulichtstrobo bis zu einer zünftige Mahlzeit fehlte nichts. Große Klasse! Dann hieß es nur noch, persönliche Sachen sammeln und ab in die Falle. Und – nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz – am darauffolgenden Sonntag war Fahrzeug-Grundreinigung angesagt, denn der mutmaßlich kontaminierte Staub hing in jeder Ritze.

Zusammenfassend kann man sagen: Wir haben Unfassbares gesehen, ein klein wenig helfen können, Kameradschaft gelebt – und die müden Knochen mal wieder ordentlich bewegt 🙂

Text- und Bildrechte: Kai Fröhlich

Alle Bilder wurden mit Zustimmung der abgebildeten Personen erstellt, es sei denn, die Personen sind Beiwerk.

 

 

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