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Cammer. Neun Tage vor dem Heiligen Abend beginnen traditionell die Cammerschen Herrentuter ihren Rundgang durchs Dorf. In diesem Jahr fiel der Start mit dem ebenfalls inzwischen zur Tradition gewordenen „Adventsingen“ des Gemischten Chores des Dorfes.
Am Samstag vor dem 3. Advent begann das gemeinsame Singen in der, leider nur halbvollen, Dorfkirche. Chorleiter Jürgen Giese leitete das Event in der gewohnt launigen Art, begleitete den Chor und die Besucher auf dem Akkordeon und seinem Keyboard.
Die Anwesenden stimmten gern die Weihnachtsweisen mit an, besonders die Kinder, die Giese einbezog, waren unter anderem bei der „Weihnachtsbäckerei“ mit lauter Stimme dabei. Dazwischen trug Sylvia Herrmann nachdenkliche und auch humorvolle Weihnachtsgeschichten vor.
Nach dem Gesang und in der Pause reichhaltig dargebotenem Kuchenbuffet ging es vor die Kirche zum Glühwein an die Feuerschale.
Noch während die Besucher sich wärmten, begannen die Herrentuter ihr Abendwerk. Punkt 17.00 Uhr tröteten Elisa Hoffmann, Theresa Frisch und Elias Feuerherdt aus voller Kehle. Alle drei sind erfahrene Tuter, Elisa macht es zum zweiten, die beiden anderen zum dritten Mal, alle sind 13 Jahre alt.
Die drei werden bis zum 24.12. jeden Abend durch Dorf schreiten, an jeder Ecke ertönen die Töne aus den Tuten. Damit will man dem Christuskind den Weg zur Erde weisen. Diese Tradition, die früher im gesamten Brandenburg verbreitet war, hat sich nur noch in Cammer erhalten. Seit dem 30er Jahren waren es zuerst nur die männlichen Konfirmanden die das Dorf abschritten, seit dem 2000er dürfen auch Mädchen mitlaufen, inzwischen unabhängig vom Glauben oder Kirchenzugehörigkeit.
Am Heilig Abend erfolgt die vorerst letzte Runde durch das Zweimühlendorf. Am Silvestertag sind die jungen Damen und Herren noch einmal unterwegs, es wird an jeder Tür geklingelt und Neujahrswünschen dargeboten. Dafür gibt es kleine Geschenke als Dank für ihr Tun. Der „Neujahrsspruch“ hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts mehrfach verändert, heute wird Folgendes deklamiert:
„Die Glocken verkünden mit hallendem Ton, dass wieder ein Jahr ist verschwunden. So haben wir Jugend von Cammer auch schon, wie üblich uns eingefunden. Vor allem wünsch ich, dass dieses Haus mit reichem Segen erblühe. Und wolle Gott geben zu jedermanns Glück, dass sich bessere der Menschheit Geschick, die täglich sich quälet aufs Neue, und wünsche der gesamten Christenschar ein glückliches Neues Jahr“.
Dieser Brauch war früher im Fläming weit verbreitet und hat sich nur noch in Cammer erhalten. Diese alte Weihnachtssitte, das sogenannte „Hirten- und Herrentuten“ deutet laut Überlieferung auf die Hirten von Bethlehem hin. Da das Vieh gemeinsam geweidet wurde, besorgten dieses die Hirten. Sie holten sich das Vieh von den einzelnen Gehöften und trieben es auf die Weide. Die Besitzer der Tiere konnten so also ihren anderen Pflichten in Haus und Stall, auf dem Acker oder im Wald nachgehen.
Einige Monate vor Weihnachten hatten die Hirten für die Kinder des Ortes kleine Geschenke geschnitzt. Neun Tage vor Heiligabend stellten die Kinder einen Teller vor die Tür, und die Hirten legten das Geschnitzte, sowie Äpfel, Nüsse und Honigkuchen darauf. Am Neujahrsabend holten sich die Hirten bei denen ihren Lohn ab, deren Vieh sie das ganze Jahr über gehütet hatten. Mit „Tuten“ zogen sie durch Cammer und traten mit einem Spruch in die Häuser. Das Tuten in der Vorweihnachtszeit und am Silvesterabend blieb Tradition, auch als sich jeder Viehbesitzer seine eigenen Weideplätze anschaffte, die Hirten also eingespart wurden. Der Nachtwächter übernahm dann das Tuten, zuletzt, als es schließlich auch diesen nicht mehr gab, übernahmen es die Schulkinder.
Wer mehr über die Tradition erfahren will, dem sei das Büchlein: „Die Himmelsleiter hinab – die Cammerschen Herrentuter“, ISBN: 978-3-9820869-3-4, 12,00 Euro beim Ortssinn-Verlag.
(Artikelfoto: Herrentuter 2023)