Amt Brück, Brück. Seit 34 Jahren begleitet Marion Jahn sämtliche Wahlen, die seit der politischen Wende stattgefunden haben. Während dieser Zeit war sie die meiste Zeit als Wahlleiterin für den Bereich des Amtes Brück tätig. Am 30. Juni 2024 endet ihre Dienstzeit. Die Kommunal- und Europawahl am 9. Juni 2024 ist die letzte Wahl, die Sie von Amts wegen begleiten wird. Deshalb auch die Frage, ist da etwas Wehmut dabei? Oder werden Sie es auf keinen Fall vermissen?
Marion Jahn: Das ist eine gute Frage. Die Tätigkeit als Wahlleiterin endet erst, wenn ein Nachfolger/ eine Nachfolgerin gefunden wurde. Meine Diensttätigkeit im Amt Brück als Wahlbehörde endet aber nun nach der möglichen Stichwahl am 30.06.2024. Die Beschlüsse dafür fasse ich mit dem Wahlausschuss dann schon als ehrenamtlicher Wahlleiter.
Wehmut ist schon eine ganze Menge dabei. Wäre ich am ersten März diesen Jahres direkt von der Vollbeschäftigten in die Altersrente gewechselt, also quasi von hundert auf null – ich hätte es mir nicht vorstellen können. Daher habe ich mich gefreut, als ich Ende vergangenen Jahres durch meinen Arbeitgeber angesprochen wurde, ob ich mir eine Teilzeitbeschäftigung bis zum Ende der umfangreichen Wahlen im Juni vorstellen könnte. Diese Tätigkeit fordert mehr Zeit, je näher der Wahltermin rückt und meine Nachfolgerin im Amt hat sich in alle Belange meiner bisherigen jahrzehntelangen Tätigkeit erst einzuarbeiten, da wird sie sich freuen, dass Unterstützung da ist und sie sich damit optimal auf die Landtagswahl im Herbst vorbereiten kann.
Ja, Wehmut ist da, aber die Termine und einzuhaltenden Fristen in Vorbereitung der Europa-, Kreistags-, Gemeindevertreter-, Bürgermeister- und Ortsbeirats- bzw. Ortsvorsteherwahlen am 9.6. drücken so sehr, dass ich nun ohne Weh und Ach dem Ende entgegenseh(n)e. Ich glaube die meisten Wahlleiter können dies gut nachvollziehen. Und ich habe ja noch mehrere Ehrenämter im Kirchenkreis Brandenburg-Mittelmark inne, die viel Zeit einnehmen, von Haus Hof, Garten, Partner und sieben Enkeln mal gar nicht zu reden.
Andreas Koska: 34 Jahre Wahlen. Es gibt bestimmt Ereignisse und Momente, wo man am Verzweifeln war. Aber auch Momente, in denen man geschmunzelt hat. Was ist Ihnen aus den ganzen Wahlvorgängen, aus der Tätigkeit als Amtsleiterin besonders im Gedächtnis geblieben.
Marion Jahn: Wahlvorbereitungen waren immer recht anstrengend, wenn ich zurückdenke. Am Verzweifeln war ich immer, wenn neue, noch kompliziertere Software eingesetzt werden musste. Diese enthält immer ungeahnte Möglichkeiten, von denen wir aber nur einen kleinen Bruchteil benötigen. Und diesen Teil zu finden und herauszufiltern, bringt einen manchmal zur Weißglut. Schmunzeln muss ich manchmal über die Beweggründer der Kandidaten, sich der Wahl zu stellen, wie zum Beilspiel, „ich möchte nur noch meinen Nachfolger, meine Nachfolgerin einarbeiten und dann ziehe ich mich zurück“. Oder dass nachgefragt wird, warum man nicht auf der Kandidatenliste steht – weil man z.B. vergessen hat, die Bewerbung abzugeben. Und glücklich bin ich immer, wenn die Wahlhelferschulung gut läuft, alle 150 Wahlhelfer ihre Arbeit am Wahltag aufnehmen und sauber beenden, und wenn wenig oder möglichst keine Einsprüche zum Wahlergebnis eingehen.
Andreas Koska: Und bis jetzt, soweit ich das beurteilen kann, in den letzten 20 Jahren zumindest, haben sie es ja immer geschafft. Was sie aber auch miterlebt haben, sind die Veränderungen nach der Wende, von der DDR zu den ersten Wahlen in der BRD. Können Sie beurteilen oder haben Sie noch im Kopf, was für Veränderungen es damals gebracht hat?
Marion Jahn: Bis zur Wende stand ich ja auf der anderen Seite, nämlich als Wähler. Ich stamme ja aus Berlin, keine Ahnung mehr wo da das Wahlbüro und wie schwer die Arbeit der Wahlhelfer war. Und da ich von je her politisch nicht sonderlich interessiert bin, habe ich mich sicher über die ersten freien Wahlen gefreut, wusste aber kaum, was ich ankreuzen sollte. Es zählte nur eins: auf keinen Fall die Partei, die früher gewählt werden musste oder eine, in der man sich mit Genosse anredet.
Andreas Koska: Bei der letzten Wahl, die Sie jetzt begleiten werden, der Kommunalwahl, gibt es einen Fall, wo jemand nicht zur Wahl zugelassen worden ist, weil nicht genügend Unterschriften, also Unterstützerunterschriften, vorlagen. Ist so etwas häufiger vorgekommen, und mussten Sie sehr häufig Beratungsleistungen gegenüber den Kandidierenden erbringen?
Marion Jahn: Meine letzte Wahl als Wahlleiterin ist schon recht speziell. Ich hatte noch nie in meinen acht Kommunal- und zig weiteren Wahlen einen ernsten Wahleinspruch zu bearbeiten. Lediglich war einmal eine nochmalige Zählung gewünscht, da nur eine einzige Stimme für einen Sitz in der GV gefehlt hatte. Nun dieser Einspruch, der sich nicht einmal gegen unsere Arbeit, sondern gegen das Kommunalwahlgesetz an sich richtete. Es wurde ungerecht empfunden, dass für die Stadtverordnetenversammlung lediglich zehn Unterstützungsunterschriften für neue Kandidaten erforderlich waren und für den Bürgermeisterkandidaten zweiunddreißig. Und warum der bisherige ehrenamtliche Bürgermeister keine Unterstützer benötigt. Der Aufwand mit Stellungnahme, zusammensuchen aller Unterlagen und zusätzlicher Einberufung des Kreiswahlausschusses war angesichts der ohnehin belastenden Wahlvorbereitung sehr hoch. Letztlich lässt das derzeitige Wahlgesetz leider keinen Spielraum, auch wenn ich den abgewiesenen Kandidaten gut verstehen kann. Hier hilft möglicherweise wirklich nur eine Petition zur Änderung bzw. Neufassung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes.
Ja, die beratende Tätigkeit für die Kandidaten und Vertrauensleute war doch recht hoch. Da war es gut, dass das Amt Brück mir eine Telefonnummer nach Hause gewährt hat. So konnte ich an allen sieben Wochentagen und auch in den Abendstunden Auskünfte erteilen und Hilfestellung bei der Aufstellung der Wahlvorschläge geben. Ich habe mich immer als Dienstleister gesehen. Vierunddreißig Jahre im Ordnungsamt und der Aufbau der Verwaltung nach der Wende prägen halt. Auch ich wünsche mir jemanden, der rangeht, wenn ich in einer Behörde anrufe und mich freundlich und kompetent berät, und so habe ich es immer gehalten und dafür so manchen Teamtag und Brückentag auf der Arbeit und mit Telefondienst verbracht.
Andreas Koska: Ja, es ist schon manchmal ärgerlich, dass gerade beim letzten Mal es dann doch zu Problemen kam. Nichtsdestotrotz wünsche ich Ihnen, dass Sie mit Ihrer Arbeit in den Kirchengremien erfolgreich sind, dass Sie Spaß und Freude daran haben und ansonsten auch Ihren Ruhestand genießen können. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
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