Philosophieren über Ethik, Klima und Wandel in der Alten Brücker Post

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Brück. „Die Erde ist ein Raumschiff, die Vorräte sind für alle da, wir müssen mit ihnen umgehen“, so leitete Dr. Sebastian Rosengrün eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde rund um „Ehtik und (Klima)Wandel“ in der Alten Brücker Post ein und ergänzt:

„Die Klimaproblematik ist ein Zeichen, dass wir mit unseren Vorräten nicht gut umgehen.“

Seit sieben Jahren diskutiert der Philosophische Gesprächskreis solche und ähnlich Fragen. Diese Mal waren mit dabei der Vorsitzende der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, Martin Gorholt, die ehemalige Klimaschutzmanagerin des Landkreises, Barbara Ral und der Brücker Bürgermeister, Matthias Schimanowski. Weitere 30 Menschen waren der Einladung gefolgt.

Entsprechend dem Motto, nach dem Philosophie „die Kunst ist, die richtigen Fragen zu stellen“, stellte Rosengrün eingangs die berühmten vier Fragen Immanuel Kants in den Raum:

„Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Gorholt, der als ehemaliger hochrangiger Politiker des Landes Brandenburg im Laufe der Diskussion besonders viele Fragen zu beantworten hatte, ging es vor allem um Gerechtigkeit, um Umweltgerechtigkeit, um Generationengerechtigkeit und um Verteilungsgerechtigkeit. Er fragte, wer die Akteure gegen einen Klimawandel sind bzw. sein müssen, und nannte

  • den Staat,
  • die Unternehmen,
  • Zusammenschlüsse wie die UNO,
  • die Zivilgesellschaft (Nichtregierungsorganisationen) und auch
  • jeden Einzelnen:

„Jeder einzelne kann einen Schub für andere geben.“

Am Ende führe das vielleicht zu einem Umschlagen der Quantität in eine neue Qualität, so wie es Friedrich Engels auf der Basis von Friedrich Hegel formulierte.

Doch Ricarda Müller, Hausherrin in der Alten Brücker Post, interessierte insbesondere die Rolle der Politik beim Klimawandel:

„Hat die Politik die Macht? Warum unternimmt die Politik nichts?“

Ral verwies auf die existentielle Dringlichkeit der Diskussion:

„Unser Budget haben wir ziemlich genau jetzt, im Frühjahr 2022 verbraucht. Alles, was wir jetzt noch verbrauchen, geht zu Lasten künftiger Generationen oder anderer Länder.“

Sie fügte hinzu:

„Da die Erde wie ein Raumschiff ist, kommt nirgendwo etwas dazu.“

Und sie greift den Faden von Gorholt auf:

„Jeder muss bei sich selber anfangen.“

Dazu ist Schimanowski auch als Bürgermeister gern bereit:

„Wir als arme Kommune haben zwar einen kleineren Fußabdruck als große und reiche Kommunen, aber wir wollen gern mehr tun, bei der Straßenbeleuchtung, weniger Versiegelung der Flächen.“

Die schwere Diskussion um die menschliche Existenz wird immer wieder durch Musik aufgelockert. „Mood 4 Groov“ mit Tanja Becker, Corinna Reich, Steve Nanda und Franzi Alter verstehen es wunderbar, die Stimmungslage der Debatte aufzugreifen und Zeit zum eigenen Nachdenken zu schaffen.

Natürlich kann eine philosophisch-grundlegende Debatte höchsten vereinzelt Lösungsansätze aufgreifen. Aber einige Anregungen ließen sich doch finden. Ral wies auf die vielfältigen Funktionen des Waldes hin. Man solle sich nur einmal vorstellen, es gäbe ihn nicht:

„Aber wie gehen wir damit um? In Borkheide zum Beispiel. Alle wollen in den Wald, aber der wird immer weniger.“

Vielen ginge es nur um günstiges Bauland.

Dabei ist auch in gefällten Bäumen CO2 gespeichert. Häuser aus Holz statt aus Stein bauen ist nicht nur gut, sondern durchaus auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Auch Gorholt unterstützt die Idee, Holz als Baumaterial zu verwenden. Aber der Waldumbau, um ein weiteres Thema dieses Abends aufzugreifen, ist in Brandenburg kompliziert. Viel Wald ist in Privathand. Was das Bauen betrifft, so Gorholt, müssen wir den Bestand stärker pflegen und eine Architektur für den ländlichen Raum entwickeln, der nicht nur auf Einfamilienhäuser setzt.

Das trifft auch Schimanowskis Nerv:

„Wir müssen über Flächennutzungspläne und Bebauungspläne Einfluss nehmen und mehrgeschossiges Bauen vorantreiben. Und wir müssen die Waldbesitzer motivieren, mitzumachen.“

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Dr. Douwe Rosenberg, der ansonsten Philosophischen Gesprächskreis leitet, warnte, nicht in „Klein-Klein zu versacken“. Das Argument des fehlenden Geldes lässt er nicht gelten. Wenn eine Aufgabe als entscheidend anerkannt ist, ist auch Geld da, siehe das 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr. Dem schloss sich auch Ral an:

„Wir haben genug Geld, wir geben es nur an den falschen Stellen aus.“

Als Beispiel verwies sie auf den BER. Aber auch jeder selbst hat täglich Möglichkeiten, zum Beispiel bei der Wahl des Verkehrsmittels. Sie ermutigt zu mehr Radikalität:

„Wende heißt andersherum, und nicht etwas mehr nach links oder nach rechts.“

Ein anderer Teilnehmer der Diskussion zeigte sich dagegen optimistisch. „Wir leben in einer wissensbasierten Gesellschaft“, warf er in die Diskussion, „wir bekommen das hin, so wie mit dem Impfstoff gegen Corona.“

Auch Gorholt wagte etwas Optimismus.

„Die Frage ist doch, wie definieren wir Wohlstand? Wir leben heute länger als vor einhundert Jahren, haben eine bessere Bildung und eine geringere Kindersterblichkeit.“

Er fordert eine andere Messung der Lebensqualität, Sozialindikatoren statt Bruttoinlandprodukt.

Eineinhalb Stunden wurde so diskutiert in der Alten Brücker Post. Natürlich wurde an diesem Abend im Planestädtchen Brück nichts gelöst. Aber das Engagement, mit dem alle bei der Sache waren, zeigte doch, wie wichtig es ist, darüber sprechen zu können. Die Teilnehmer fühlten sich jedenfalls sichtbar besser, der vielleicht größten Katastrophe der Menschheit nicht allein gegenüberzustehen. Und möglicherweise bewirkt genau dieses miteinander sprechen den entscheidenden Kick, der die Wende bringt. Oder wie es Ral ausdrückte:

„Viele resignieren, weil das, was sie tun können, so winzig ist. Doch genau mein kleiner Beitrag könnte vielleicht entscheiden, ob ein Kipppunkt kippt oder nicht.“

Sie fügt noch hinzu:

„Es macht zudem einen Unterschied, mit welchem Tempo man gegen die Wand fährt.“

Der anregende Abend klingt aus mit einigen Häppchen, wunderbarem Jazz von „Mood 4 Groov“ und langen Gesprächen aus.

Tanja Becker, „Mood 4 Groov“
Tanja Becker von „Mood 4 Groov“

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