Krise? In Beelitz geht es auch anders: Drei Geschäfte eröffnen neu trotz der Eindämmungspolitik

Beelitz. In jeder Krise steckt eine Chance – wohl nirgendwo passt dieses Sprichwort dieser Tage besser als in Beelitz. Während durch die  Corona-Pandemie und die Eindämmungsmaßnahmen allerorten Unternehmen ins Schlingern geraten sind, sogar schließen mussten, haben in Beelitz gleich drei neue Geschäfte eröffnet.

Schlüsseldienst

Schlüsseldienst Firma Kasten, Beelitz, (c) Antje Schroeder
Schlüsseldienst Firma Kasten (c) Antje Schroeder

„Man muss weiterdenken“, sagt Burkhard Kasten von der gleichnamigen Metallbaufirma aus Wittbrietzen, der zusammen mit seinem Sohn Oliver den bisherigen Schlüsseldienst Bachmann in der Clara-Zetkin-Straße, gegenüber des Beelitzer Lustgartens, übernommen und Anfang Mai wiedereröffnet hat. Der Vorbesitzer hatte nach neun Jahren einen Nachfolger gesucht. Die beiden bisherigen Angestellten haben Kastens gleich mitübernommen – den Berater Klaus Ermler und den Außendienstmitarbeiter Mike Beschnitt, die mit ihren 29 beziehungsweise 30 Jahren Betriebszugehörigkeit schon „Urgesteine“ sind. Am grundsätzlichen Sinn der Geschäftserweiterung haben Vater und Sohn keinen Zweifel: „Metallbau und Schlüsseldienst passen zusammen“, sagt Oliver Kasten. Wer sich beispielsweise ein Tor bauen lässt, ist froh, wenn er die Schließanlage gleich mitkaufen kann.

Durch die behördlich angeordnete Schließung aller nicht unmittelbar lebensnotwendigen Geschäfte hatten die Kastens die geplante Wiedereröffnung zunächst um zwei Wochen verschieben müssen – immerhin etwas Zeit, um den Laden etwas gründlicher umzuräumen.

Vintage Lädchen

Vintage Lädchen, Jeanette Behnke, Beelitz, (c) Antje Schroeder
Vintage Lädchen, Jeanette Behnke (c) Antje Schroeder

Die Inhaberin des neuen Vintage Lädchens in der Poststraße, Jeanette Behnke, musste sogar noch fast zwei Wochen länger warten – denn ein guter Teil der Ware war schlicht nicht lieferbar. Bei Privatpersonen und Händlern bis nach Holland und Dänemark sucht Behnke, die seit einigen Jahren auch das Café „Zur Alten Wache 1903“ am Kirchplatz führt, nach alten Möbeln und neuen Einrichtungsgegenständen – beispielsweise ein altehrwürdiges Küchenbuffet aus der Jahrhundertwende oder dekorative Kisten aus der Defa-Requisite. Diese arbeitet ihr Mann, der zugleich Geschäftsführer des Vintage Lädchens ist, dann auf. Oft genug gestaltet er sie auch um: Türen alter Schränke werden zur stilvollen Garderobe, alte Munitionskisten dienen als Bar.

Das Vintage Lädchen ist für Behnke die logische Erweiterung ihres Cafés, wo sie ebenfalls schon alte Sachen verkauft hatte. Der Platz wurde dort schlicht zu eng. Die Coronazeit bedeutete für Behnke einen harten finanziellen Einschnitt, besonders auch fürs Café. Aufgeben kam für die Unternehmerin, die ursprünglich aus Schönefeld stammt, trotzdem nicht in Frage. Hatte sie sich doch mit dem Café und nun mit dem Laden einen Traum erfüllt. „Ohne die finanzielle Unterstützung der Familie wäre es nicht gegangen“, sagt sie. Seit der Eröffnung am 13. Mai sei das Vintage Lädchen „gut angelaufen“, sagt Behnke.

Argentinisches Steakhaus Los Ríos

Beelitz, Steakhaus Abderrezak Bekal, (c) Antje Schroeder
Steakhaus Abderrezak Bekal (c) Antje Schroeder

Der Betreiber des argentinischen Steakhauses Los Ríos gleich neben dem Schlüsseldienst, Abderrezak Bekal, hatte indes schon fünf Jahre nach einem Restaurant gesucht und die Eröffnung für den 1. April geplant. „Dann war auf einmal alles dicht, das war hart“, sagt Bekal, der ursprünglich aus Algerien stammt. Das neue Steakhaus hat er nun Anfang Juni aufgemacht – was von vielen Beelitzern schon mit Spannung erwartet worden war. Die Speisekarte umfasst neben argentinischen Steaks, die je nach Wunsch mehr oder weniger durchgebraten werden, auch Pizza, Pasta und weitere italienischen Gerichte.

Er versuche, ein breit gefächertes Angebot zu machen, sagt Bekal, der als gelernter Koch auch selbst in der Küche steht. Das traditionelle nordafrikanische Gericht Couscous – eine Art Eintopf mit Hartweizengrieß – hat er bisher nicht auf der Karte. Er könne es aber zubereiten. Seit 24 Jahren lebt er in Deutschland. „Meine Mutter hat mir beigebracht, Couscous zu kochen“. Bekals Frau, die aus Frankfurt (Oder) stammt, arbeitet im Restaurant mit. Bekal würde auch noch gern eine Kellnerin einstellen, am liebsten aus Beelitz.

Erschwert wird die Lage nun dadurch, dass das Restaurant wegen der strengen Corona-Hygienevorschriften statt 75 Plätzen nur 35 besetzen kann, hinzu kommen 14 Sitze vor dem Restaurant auf dem Trottoir. „Es ist ein bisschen schwierig, aber es wird schon gehen“, sagt Bekal.  Die Corona-Pandemie treffe schließlich nicht nur sein Restaurant, sondern sei eine weltweite Krise. Mit dem Standort ist er sehr zufrieden. Besonders die Stadt Beelitz hat es ihm angetan. Es sei ein schönes Städtchen. „Beelitz ist vom Flair her eher italienisch oder französisch als typisch deutsch“, sagt der Gastronom.

Mut braucht es immer

Bürgermeister Bernhard Knuth freut sich immer, wenn jemand so ins Schwärmen gerät über seine Stadt:

„Ja, Beelitz ist schön, was aber nicht nur an den Gebäuden und Plätzen liegt, sondern vor allem auch an den Menschen, die hier leben.“

Dass die Stadt relativ gut durch die Krise gekommen ist, liege nicht zuletzt am großen Zusammenhalt in Beelitz, dass einer für den anderen einstünde. Und dadurch verbreitet sich Zuversicht:

„Gewerbetreibende, die sich in solchen Zeiten nicht beirren lassen sondern weitermachen, sogar investieren, ein neues Geschäft gründen, tragen unheimlich stark dazu bei, das man in Beelitz frohen Mutes ist und nach mit einem Lächeln in die Zukunft schaut.“

Ob es besonderen Mut braucht, mitten in der Corona-Krise neu aufzumachen? Die Inhaber der drei Geschäfte sind sich einig: Nicht nur wegen Corona, sondern generell braucht es Mut, ein Unternehmen zu gründen. Jeder von ihnen hat schon Umbrüche erlebt. Behnke hatte schon bis vor acht Jahren einen Einrichtungsladen in Großbeeren. Sie musste ihn damals aufgeben, weil der Vermieter wegen Eigenbedarfs gekündigt hatte. Bekal betrieb bis vor fünf Jahren mit einem Partner das Steakhaus in Nauen. Dort stieg er aus, weil es Differenzen gab. Burkhard Kasten musste nach der Wende komplett neu anfangen. „Es war ja alles weg“, sagt er.

Vielleicht ist es ihre Erfahrung, welche die Unternehmer zuversichtlich bleiben lässt. Den Familienbetrieb Kasten gibt es schon seit 170 Jahren – 1850 wurde die Huf- und Waffenschmiede in Wittbrietzen erstmals urkundlich erwähnt. Die Vorfahren beschlugen Pferde, bauten später Kutschen und mussten in beide Weltkriege ziehen. Wer schon in der 7. und 8. Generation ein Unternehmen führt, den kann wahrscheinlich nichts mehr so leicht schrecken. Jede Generation müsse eben ihr eigenes Risiko tragen und weiterarbeiten, sagt Burkhard Kasten:

„Wenn keiner mehr was wagt, kommt die Wirtschaft nie wieder in die Gänge.“

(Antje Schroeder)

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