Borkheide. „Der besondere Abend“ hielt auch diesmal, was der Name verspricht, nämlich ein besonderer Abend zu sein. Initiatorin Edda Haage hatte „Indische Musik und Märchen“ in die Mensa der Borkheider Hans-Grade-Schule geholt. Über 60 Gäste, darunter auch einige Kinder, lassen sich auf das Wagnis ein – und sind begeistert.
Eine tolle Geschichte grandios erzählt
Der anfänglichen Ermahnung der Kinder durch Haage hätte es gar nicht bedurft. Angespannt und still halten die Kinder über zwei Stunden durch. Atemlos lauschen sie – wie übrigens auch die Erwachsenen – den indischen Märchen aus „Vetalapantschavinsati. Die 25 Erzählungen eines Dämons“. Märchenerzählerin Silvia Ladewig fesselt alle mit ihrer lebendigen Interpretation der „schaurigen Geschichten aus dem alten Indien“. Grandios spielt sie trotz einer leichten Erkältung mit ihrer Stimme, mit Mimik und Gestik. Unmöglich, mit bloßem Text die Wirkung ihres Vortrags widerzugeben, weshalb das Märchen hier gar nicht erst nacherzählt werden soll. Wer es lesen mag, der kann nach dem obigen Titel, nach „Der König mit dem Leichnam“ oder nach “Vikram und Betaal” googlen. Oder man folgt dem Video unten, das zwar auf Hindi ist, aber die Geschichte lässt sich auch in der so fremden Sprache erahnen.
Indische Klänge verzaubern beim “Besonderen Abend”
Doch zunächst beginnt „Der besondere Abend“ fast verträumt. Die nüchterne Mensa erfüllen die vibrierenden, fremdartigen Klängen der Sitar. Sebastian Dreyer spielte sie meisterhaft. Leise, zarte Klänge füllten den Raum. Die Zuhörer sind absolut still, lediglich ein Baby ist gelegentlich zu vernehmen. Ladewig streichelt ihr Instrument zur Begleitung. Später bringt Ashis Paul mit seiner Tablas Rhythmus und Dynamik in die Musik.
Eine abscheuliche Geschichte
Gleich zu Beginn ihres Märchens rät Ladewig den kleinen Zuhörern:
„Wenn es zu gruselig wird, haltet euch einfach die Ohren zu.“
Tatsächlich gibt es nicht nur eine Leichen, einen Friedhof und böse Geister, sondern es spritzt das Blut. „Ich kann die Geschichte nicht schöner machen als sie ist“, entschuldigt sich Ladewig. Doch weghören wollen auch die Kleinsten nicht. Als Ladewig an einer besonders gruseligen Stelle fragt „Soll ich mehr erzählen?“, schallt ihr sofort ein mehrstimmiges „Ja“ entgegen. Immer wieder bezieht Ladewig ihre Zuhörer mit ein. „Ich versuche“, erklärt sie im Nachgespräch, „mit jedem wenigstens einmal Blickkontakt aufzunehmen“. Aber auch in die Dramatik der Geschichte bezieht sie alle mit ein und hält so die Spannung am Kochen. Ein Beispiel: Wenn zwei Freunden die Köpfe getauscht werden, wem gehört dann die Frau des einen? Entscheidet der Kopf oder der Körper, Hirn oder Herz?
Ladewig durchbricht das bloße Märchen immer wieder aus ihrer Position als Erzählerin heraus, fügt dem Geschen eine weitere Ebene zu. Gern holt sie das Geschehn ins Heutige. König Sikram emfängt nicht seine Untertanen, sondern hält eine “Bürgersprechstunde” ab. Askese erklärt sie mit dem Verzicht auf Gummibären.
Borkheider singen gemeinsam die Titelmusik von “Vikram aur Betaal”
Immer wieder wird die Geschichte an besonders spannenden Stellen durch die Klänge von Sitar und Tablas unterbrochen, wie die Kinder finden, bzw. wunderbar untermalt, wie die meisten Älteren meinen. Den Borkheidern und ihren Gästen gefällt es, sie spenden immer wieder reichlich Beifall. Zum Abschluss gibt es die Titelmelodie von Vigram und Betaal, einer in Indien populären filmischen Umsetzung des erzählten Märchens, die man sich in zahlreichen Varianten auf YouTube ansehen kann:
Der Saal in Borkheide singt den einfachen Text und die eingängige Melodie mit – auf Hindi, Englisch, Deutsch und Russisch. Eine fast feierlich-skarale Stimmung kommt auf. Klar, dass sich das Publikum über eine Zugabe freut.
Eine besondere Zugabe von Sebastian Dreyer und Ashis Paul
Auch diese fällt besonders aus. Dreyer und Paul geben nicht einfach ein weiteres Stück, sondern erklären den Aufbau der indischen Musik. Besonders Pauls Verschmelzung mit der Tabla kommt jetzt ganz zur Geltung. Grandios, wie er den Klang eines Pfaus, der im Regen tanzt, wiedergibt. Fesselnd sein Zusammenspiel mit Dreyer, die sich mit kurzen Blicken während ihres Spiels verständigen.
“Ich habe selten so etwas Lebendiges erlebt wie heute Abend”, zieht Haage das Fazit des späten Nachmittags.
Interessensgemeinschaft “Der besondere Abend”
Ganz am Schluss des Nachmittags hat Haage noch ein besonderes Anliegen. Sie will eine Interessengemeinschaft initiieren. Sie würde sich sehr über Unterstützung freuen, und sei es, bei Gelegenheit die Musiker zu fahren. Wer helfen will, den “Besonderen Abend” weiter so erfolgreich zu gestalten, der kann sich bei ihr melden.
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