30 Jahre Mauerfall – eine Ausstellung in Brück

Brück. Bananen auf Zuteilung, Apfelsinen nur zu Weihnachten, im Herbst abwechselnd Rotkohl und Weißkohl als Gemüse – für die Menschen unter 30 ist das kaum vorstellbar. Krass – waren oft die Reaktionen der Brücker Schüler, als ihnen die Erwachsenen, die in der ehemaligen DDR gelebt haben, davon erzählten.

Brück, Pfarrer Helmut Kautz, MauerAuch Pfarrer Helmut Kautz erinnert sich. Er arbeitete damals bei einer Dachdeckerfirma in Reetz und stand mit einem Kollegen gerade auf dem Dach, als die Nachricht im Radio kam. Umso wichtiger ist es, dass die junge Generation sich mit der Vergangenheit vertraut macht.

Aiden

Das passierte bereits in der Brücker Schule, und Aiden, ein Schüler der 5. Klasse, brachte den Anwesenden seinen Aufsatz zu dem Thema zu Gehör. Dazu hat er die Geschichte der Mauer erzählt, aber auch seine Großeltern und Urgroßeltern zu dem Thema befragt. Besonders interessierte ihn, ob seine Verwandten daran gedacht hatten, die DDR zu verlassen. Nein, man war dort aufgewachsen, hatte eine gute Gemeinschaft und sich angepasst. Wie viele andere auch. Den Kindern und jungen Eltern ging es gut, Kindergärten waren kostenfrei, man wurde freigestellt, wenn das Kind erkrankt war und bei der Geburt eines Babys gab er das bezahlte Babyjahr. Deshalb waren in der DDR die meisten Frauen auch berufstätig. Einziger Wermutstropfen für die große Masse war wohl, dass man die Verwandtschaft nicht besuchen konnte

Nun hat der „umtriebige“ Pfarrer, wie ihn Brücks Bürgermeister Matthias Schimanowski bezeichnete, eine Ausstellung zum Thema „30 Jahre Mauerfall“ in der Lambertuskirche Brück organisiert. Unterstützung hatte er dabei von Dr. Maria Nooke, Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in der DDR, die auch die Ausstellung eröffnete. Umrahmt wurde die Veranstaltung mit Musik von den Brücker Streichern. Eingefunden hatten sich Menschen, die sowohl in der DDR, als auch in der BRD gelebt hatten, um mit den Schülern und Jugendlichen über ihre Erfahrungen der Mauerzeit zu sprechen. Viele von ihnen hatten schon den Mauerbau miterlebt.

Maria Nooke
Maria Nooke

Maria Nooke

Aber auch die Ausstellung hatte einiges zu bieten. Sie umfasst die Zeit von 1961 bis 1989 und ist am Beispiel des Grenzübergangs Chausseestraße in Berlin dargestellt. Dr. Maria Nooke vermittelte den Besuchern in der Kirche einige Auszüge aus ihren Recherchen zum Thema Mauer. Die innerdeutsche Grenze wurde ja bereits 1952 geschlossen, aber nach Westberlin war sie auf Grund des besonderen Status der Stadt noch immer offen. Und so verließen täglich hunderte Menschen den Osten in Richtung Westen. Dem wollte und musste die DDR-Führung einen Riegel vorschieben. Die Schließung der Grenze zu Westberlin traf die meisten aus heiterem Himmel. Immerhin arbeiteten zu der Zeit noch etwa 600.000 Menschen in Westberlin. Diese Arbeitsplätze waren plötzlich weg. Auch die Studenten mussten zurück. Einzig die Medizinstudenten durften bleiben – die DDR brauchte gut ausgebildete Ärzte. An der Bernauer Straße verlief die Grenze zu Westberlin genau in der Straßenmitte. Die Menschen konnte ihre Nachbarn über Nacht nicht mehr besuchen, Familien wurden auseinander gerissen, die Fenster und Türen zum Westen zugemauert und später die Wohnungen zwangsgeräumt.

Aber viele wagten dennoch die Flucht in den Westen. Laut Unterlagen sind etwa 5.000 gelungene Fluchten an der Westberliner Grenze verzeichnet, an der innerdeutschen etwa 400.000. Aber täglich wurden bis zu 120 Menschen verhaftet, entweder bei der Flucht oder auch schon vorher durch Verrat. Die meisten erfuhren erst nach der Wende, wer sie angeschwärzt hatte. Und leider gibt es auch Todesopfer zu beklagen, insgesamt fast 200. Nicht bekannt ist allerdings, wie viele auf der Flucht angeschossen wurden, denn für die Grenzsoldaten, die meist Mitarbeiter der Stasi waren, galt der Schießbefehl. Eine der allerletzten Fluchten ereignete sich am Grenzübergang Chausseestraße. Den Grenzsoldaten wurde die Aussetzung des Schießbefehls mitgeteilt, allerdings nicht den Stasimitarbeitern in Uniform. Die beiden Männer, die flüchten wollten, gaben auf, als auf sie geschossen wurde und wurden verhaftet. Erst lange nach dem Mauerfall am 9. November kamen sie frei.

In der Ausstellung kann man aber auch nachvollziehen, wie der Schienenverkehr ablief. Anhand eines Modells kann ausprobiert werden, welche Strecken in den Westen und zurück fuhren. Die Bahnhöfe existierten ja noch, aber die Ausgänge waren geschlossen. Selbst wenn man hätte aussteigen können, wäre man nicht weit gekommen.

An einer präparierten Tür können sich besonders junge Leute versuchen. Durch Fragen, was für einen Besuch im Westen für Papiere notwendig sind, öffnet sich die Tür bei richtiger Einstellung.

Nach der Eröffnung hatten alle die Möglichkeit zu Gesprächen bei Kaffee und Kuchen. Die Brücker Schüler hatten sich im Vorfeld Fragen überlegt, die sie stellen wollten, denn es hatten sich Bürger bereit erklärt, auf die Fragen zu antworten. Wir Brita Werner. Sie stammt eigentlich aus Hessen, aus dem Ort Wißmar. Als Kind hörte sie, dass es in der DDR einen Ort gleichen Namens, wenn auch mit etwas anderer Schreibweise gibt. Dort will ich mal hin, wünschte sie sich. Für Brita Werner war es unvorstellbar, dass die Menschen in der DDR nicht reisen konnten. Sie war 30 als die Mauer fiel und freut sich nun, dass die Menschen ihre neue Freiheit genießen können. Vor drei Jahren ist sie nach Brück gezogen. Schon die Natur und Umgebung hat ihr sehr gut gefallen. Außerdem hatte sie sich bei einem Züchter aus Brück einen Hund gekauft. „Der Hund sollte wieder nach Hause“ begründet sie scherzhaft ihren Umzug. Über den Mauerfall erfuhr sie aus dem Fernsehen. „Wir haben bis nachts um drei vor dem TV gehangen und alles verfolgt“, erinnert sie sich. Auch an die ersten Tage nach der Maueröffnung im Grenzgebiet zu Thüringen. Da wollten alle DDR-Bürger mit ihrem Begrüßungsgeld einkaufen – manche Geschäfte dort waren regelrecht ausverkauft.

Auch Dr. Maria Nooke erinnert sich an den Mauerfall. „Ich konnte das machen, was ich schon immer wollte, studieren und promovieren“, erzählt sie. Sie eine derjenigen, die sich auch an Demonstrationen beteiligt hat. Als sie von der Grenzöffnung aus dem Radio erfuhr, dachte sie, sie trifft der Schlag. Sie nahm das Kofferradio mit ins Bett, um ja nichts zu verpassen. Als sie am kommenden Tag ihre Kinder in den Kindergarten brachte, musste sie an der Polizei vorbei und wunderte sich über die langen Schlangen. Da im DDR Fernsehen immer noch verbreitet wurde, man bräuchte einen Pass, um in die BRD reisen zu können, wollte nun eine Menge Menschen einen solchen beantragen.

Ganz besonders ist die Geschichte von Veronika und Dieter Dunker, die inzwischen in Fichtenwalde leben. Veronika Dunker wuchs im Osten auf, Dieter Dunker in Westberlin. Er wählte auf Grund der verwandtschaftlichen Verhältnisse den umgekehrten Weg, er kam vom Westen in den Osten. Aber nun war er ja nicht mehr der Onkel, der Schokolade und Kaffee brachte und so musste er bald auf eigenen Beinen stehen. Und wollte wieder zurück. Sein Fluchtversuch scheiterte und er musste ins Gefängnis. 1967 lernte sich das Paar kennen und lebte in Dresden.

Veronika und Dieter Dunker

Aber auch Veronika Dunker hielt es nicht länger aus. „Ich muss hier raus, überall nur Mauern“, sagte sie sich immer wieder. 1980 stellte das Paar einen Ausreiseantrag. Während diese bei anderen relativ schnell bewilligt wurden, warteten Veronika und Dieter Dunker dreieinhalb Jahre. Das bedeutete 3 ½ Jahre Angst und Zittern. In dieser Zeit suchte Veronika Dunker Halt und begann in die Kirche zu gehen, wo sie dann auch einen Arbeitsplatz erhielt. Das war für sie der Anfang zu christlichen Glauben. Das Paar hatte überlegt, nach München oder Hamburg zu gehen, dort hatten sie Verwandte. Als sie Hamburg schon ins Auge gefasst hatten, fiel die Mauer. Sie waren wohl auch die ersten, die über den Potsdamer Platz fuhren. Beide wollten jedoch hinaus aus der Großstadt. Sie bauten ein Haus in Ferch. Seit 2005 leben sie in Fichtenwalde.

Die Ausstellung in der Lambertuskirche ist noch vier Wochen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Ein Besuch lohnt sich!

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