Grüne Potsdam-Mittelmark: Position zu Karate-Einsatz im Wald

Zauche 365 wurde vom umweltpolitischen Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN des Kreistages Potsdam-Mittelmark, Axel Mueller, der folgende offene Brief an den Direktor des Landesforstbetriebes Brandenburg, Hubertus Kraut, zur Verfügung gestellt. Axel Mueller ist Biologe und hat als Wissenschaftler zum Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln geforscht:

Für eine Strategie der Waldbewirtschaftung zur Förderung der biologischen Gegenspieler ohne ein Totalinsektizid

Bekanntermaßen ist Brandenburg sehr reich an Flächen, auf denen die Waldkiefer als Monokultur steht. In den letzten 20 Jahren wurde bereits viel getan, um einen Waldumbau zu erreichen, indem viele Flächen durchforstet, Laubbäume nachgepflanzt und dadurch lockere Bestände erzeugt wurden, in denen die Brandlast als Folge eines Waldbrandes reduziert ist. Aber all diese Maßnahmen brauchen noch Jahrzehnte, um den Auswirkungen des Klimawandels auskömmlich begegnen zu können. Auf den Hatzfeldtschen Flächen im Revier Massow werden Gefäße mit Eicheln ausgelegt, um die Ausbreitung der Eiche mit Hilfe des Eichelhähers zu fördern. Solche Maßnahmen sind logischerweise die kleinen Schritte, die in Richtung Ziel führen. Das Anbringen von Nistkästen ist in unseren Forsten genauso zweckmäßig wie der Schutz von Naturverjüngung vor Verbiss. Die letzten niederschlagarmen Jahre bedeuten für unsere Wälder geringeren Zuwachs und begünstigen die Massenentwicklung bestimmter Insektenarten wie Eichenprozessionsspinner und jetzt die der Nonne.

Nach Durchsicht der Literatur sind für unser Gebiet seit dem 16. Jahrhundert Schäden durch die Nonne nachgewiesen. Vor dem ersten Weltkrieg hat man die Eier, die Raupen und auch Schmetterlinge gesammelt und vernichtet, es wurden Leimringe angebracht und versucht, der Plage Herr zu werden.

Schon seit diesen Zeiten wird erkannt, dass die Monokultur von Fichte oder Kiefer Ursache und Begleitumstand ist, dass massive Schäden auftreten kön-nen. Damals brachen diese Kalamitäten durch die Wipfelkrankheit, einer bakteriellen Infektion, zusammen. Heute mit 100jähriger Erfahrung im Forstschutz sollte die Giftkeule nicht als Eingriff in das Ökosystem Wald genutzt werden. Der Aufschrei von Karl Tempel, der seit Jahren Waldumbaumaßnahmen betreibt, ist nachvollziehbar. Denn in der Vergangenheit wurden Kiefernbestände selten so stark geschädigt, dass ein Absterben der Kiefern erfolgte, denn die Waldkiefer hat natürliche Abwehrstrategien, indem sie durch Harzbildung den Fraß der Raupen behindert.

Nun aber worin liegen die Alternativen?

  1. Die langfristige Alternative besteht darin, aus der Kiefern-Monokultur ei-nen Mischwald zu machen, was aber Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nimmt, daran wird gearbeitet, führt aber nicht zur zeitnahen Lösung. Die Nonne ist und bleibt dabei eine wichtige Nahrungsquelle für parasitische Insekten (Schlupfwespen), Fledermäuse, Sing- und Rabenvögel. Diese Methode sorgt für den Ausgleich an tierischer Biomasse im System und wirkt nachhaltig.
  2. Die kurzfristige Lösung besteht darin, ein chemisches Präparat wie z.B. Dimilin einzusetzen. Dieses Präparat ist ein Häutungshemmer, der die Verpuppung und die Entstehung von Imagines, d.h. geschlechtsreifen Faltern verhindert. Er senkt die Biomasse im System und damit die Nahrungsgrundlage für Vögel und Fledermäuse. Der Nachteil dieses Präparates besteht darin, dass es nicht sofort wirkt und aber eine Massenvermehrung in einer 2. Generation verhindert. Der Vorteil dieses Präparates besteht darin, dass es nur auf Schmetterlingslarven wirkt und andere Insektenarten und natürlich auch die Vogelwelt nicht allzu stark geschädigt werden.
  3. Eine weitere gute Bekämpfungsmethode wäre der Einsatz eines Bazillus-thuringiensis-Präparates, d.h. die Ausbringung eines Bakteriums, das sich gleich einer Epidemie in der Population ausbreitet und die Massenvermehrung verhindert. Der Anwendungserfolg eines solchen Präparates ist von der Dichte der Schaderreger-Population und von der Wetterlage abhängig.
  4. Ein umfassendes, intensives Monitoring über die Populationsentwicklung ist notwendig, um die Zahl und Dichte des Nonnenbefalls zu erfassen. Eine Beratung durch die Abteilung Forstschutz des Julius-Kühn-Institutes Braunschweig und die Zusammenarbeit mit der Hochschule Eberswalde wären hilfreich, um zum Insektizid-Einsatz geeignete Alternativen zu erarbeiten.

Das Artikelfoto zeigt die große Interesse an dem Thema bei einer Informationsveranstaltung am 11. April 2019 in Fichtenwalde. Lesen Sie dazu auch diesen Artikel: Informationsveranstaltung zum geplanten, großflächiger Insektizid-Einsatz in den Wäldern rund um die Waldgemeinden Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide.

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