Großer Andrang bei Informationsveranstaltung zum geplanten Einsatz von Insektiziden rund um Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide

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Fichtenwalde. Im Saal im Hans-Grade-Haus waren auch die Stehplätze restlos besetzt, als erstmals eine breite Öffentlichkeit über den geplanten Einsatz des Insektizids „Karate Forst flüssig“ informiert wurde (siehe auch HIER). Eingeladen hatten besorgte Fichtenwalder Bürger. Das Podium war mit einem breiten Spektrum von verschiedenen Forstleuten bis zum protestierenden Waldbesitzer gut besetzt. „Nur die eigentlichen Adressaten fehlen, die Politiker“, monierte Waldbesitzer Karl Tempel unter dem Beifall der Zuhörer. Dessen ungeachtet gab es drei Stunden lang eine gleichermaßen informative wie engagierte und kontroverse Debatte.

Zu Beginn stellte Jörg Ecker vom Landesbetrieb Forst Brandenburg das Problem aus seiner Sicht dar. Nach einem breit angelegten und aufwändigem Monitoringverfahren sind sich die Forstleute sicher, dass rund um die drei Waldgemeinden der Nachtfalter Nonne (Lymantria monacha) sich so rasant vermehrt hat, dass den hiesigen Kiefernbeständen ein mehrfacher Kahlfraß droht, den die Bäume nicht überleben würden. „Niemand will Gift versprühen und großflächig Insekten töten“, erklärte Ecker, „aber ohne diese Notmaßnahme droht der Wald ganz verloren zu gehen.“ Die toten oder geschwächten Bäume drohen umzustürzen, die Brandgefahr steigt. Zu der verschärften Situation haben die letzten trockenen Sommer beigetragen. Die Kiefern sind geschwächt. Hinzu kommt, dass die natürlichen Gegenspieler der Nonne bisher in diesen Wäldern kaum vorkommen.

Dieses „Hororszenarium“ nahmen ihm viele im Saal nicht ab. Axel Heinz Bernd vom BUND lehnte den Einsatz von „Karate Forst flüssig“ grundsätzlich ab, „weil alle anderen Insekten mitgeschädigt werden“. Auch der Bodenökologe Hans-Holger Liste lehnte den Einsatz aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Er befürchtet einen Kollaps des Ökosystems, weil viele Insekten, Milben, Marienkäfer, Bienen, Wespen und in der Folge Vögel, Fledermäuse und die natürlichen Gegenspieler der Nonne mit sterben würden. Der Wald muss umgebaut werden, „und da sollten wir der Empfehlung der Insekten folgen, ohne Karate und andere chemische Kampfsportarten“. Dagegen setzte Ecker, „dass der Umbau ohne den Altbestand wesentlich schwieriger ist als im bestehenden Wald.“

Waldbesitzer Tempel kämpft um seinen Wald. Von allen anerkannt hat er seinen Wald im Gegensatz zu den meisten anderen Waldbesitzern vorbildlich umgebaut:

„Jetzt kann ich meinen Enkeln nicht sagen, dass mein Wald vergiftet wird.“

Er befürchtet, dass er seine Nistkästen umsonst angebracht hat. Elke Seidel (Grüne) aus der Stadtverordnetenversammlung Beelitz verwies auf den Klimaschutz als Hauptursache:

„Künftig werden wir die Zunahme der Nonnenpopulation nicht wie bisher alle zehn, sondern alle fünf Jahre haben. Wollen wir dann alle fünf Jahre unsere Wälder vergiften?“

Auch die anwesenden Förster und namentlich Herr Hendtke von der Oberförsterei Potsdam unterstützten die Forderung nach einem Umbau des Waldes:

„Das ist auf Dauer die einzige Chance. Wir benötigen ein Drittel Laubbäume. Aber wir können die Waldbesitzer nicht zwingen. Außerdem ist der Waldumbau eine Aufgabe für mehrere Generationen.“

Mit dem Versprühen des Giftes wird nach seiner Ansicht die Zeit erkauft, die für den Waldumbau benötigt wird. Stadtförster Martin Schmidt stimmt ihm zu:

„Unsere Förstergeneration hat die Aufgabe, den Wald der Natur zurück zu geben“.

Immerhin wurden in seinem Wald in den letzten zwei Monaten 30.000 Eichen gepflanzt.

Silke Glatzer aus Borkwalde freute sich, vom erhaltenswerten Waldbiotop zu hören und fragte sich zugleich, warum das gegenüber der Windkraftindustrie nicht gilt. Andere Zuhörer verwiesen darauf, dass auch jeder Bürger selbst etwas für die Natur tun muss. Auch das Abholzen der Bäume im eigenen Garten schädigt die Natur, trägt zum Absenken des Grundwasserstandes und damit zur Erhöhung der Brandgefahr bei.

Die Sprühaktion soll in der Zeit von Ende April bis Mitte Juni stattfinden. Dazu wird der Wald gesperrt und darf erst nach 48 Stunden wieder betreten werden, dann laut Aussage der zuständigen Behörden ohne gesundheitliche Gefährdungen. Das gilt auch für Hunde und Katzen. Die konkreten Hubschrauberflüge können erst sehr kurzfristig angekündigt werden, da die Witterungsbedingungen eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung über die Flugtage spielen.

Immerhin, ein erstes Ergebnis hat die bisherige Diskussion um den Einsatz von „Karate Forst flüssig“ gebracht, wie Ecker erklärte. Der Abstand zu den Siedlungsgebieten soll statt der von den Zulassungsbehörden vorgesehenen 25 Meter auf 100 Meter erhöht werden. Noch befinden sich die Behörden laut Hendtke außerdem im Klärungsprozess, „und wahrscheinlich werden die zu besprühenden Flächen am Ende noch deutlich kleiner ausfallen“. Mehrere Zuhörer aus den Nachbargemeinden kündigten weitere Veranstaltungen in Borkheide und Borkwalde an. Auch die Initiatoren der Fichtenwalder Veranstaltung wollen weiter machen und denken u.a. über ein Volksbegehren nach, dass die Politik zum Ändern des Waldgesetzes zwingt.

Artikelfoto: Jörg Ecker vom Landesbetrieb Forst Brandenburg bei seinem Vortrag

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