Beelitz. Die Spargelstadt könnte gut und gerne auch bald zur Hochzetsstadt avancieren. Ihr romantischer, in Grün gehaltener Trausaal mit Wandmalereien, deren Ursprung wahrscheinlich auf Kunstmaler oder Bühnenbildner um 1800 zurückgehen, stößt immer wieder auf Begeisterung bei Brautleuten. Noch ist der Saal mit seiner „Ideallandschaft auf Putz gemalt“, wie man es laut Stadthistoriker Manfred Fließ „allgemein üblich bezeichnet hat“, vielleicht ein Geheimtipp. Aber er spricht sich mit jeder Eheschließung weiter herum, deren Brautpaar und Gästeschar nicht aus Beelitz stammen.
„Die Zahlen zeigen, dass gern in Beelitz getraut wird“, freut sich Angela Harnack, die seit 31 Jahren Standesbeamtin ist. Seit gut 50 Jahren finden Eheschließungen in dem Saal statt. Früher waren die Räume als Wohnungen genutzt worden und die Wandmalereien mit Tapeten überklebt gewesen. Sie waren aber schon in den 1920er Jahren bekannt, weil sie da nicht verhüllt waren, so Fließ. Wieder zum Vorschein gekommen sind sie dann Ende der 1950er Jahre durch den damaligen Beelitzer Museumsleiter Kurt Verch. Erkennbar sind durchaus Bezüge zur Gotischen Bibliothek und zum Marmorpalais in Potsdam.
Vom Jahr 2010 mit 58 Hochzeiten hat sich die Zahl im vergangenen Jahr mit 108 Trauungen fast verdoppelt. Und waren im Jahr 2013 erst 18 Paare nicht vor einem weiteren Anfahrtsweg zum Standesamt zurückgeschreckt, so nahmen 2018 schon 37 Pärchen die Reise nach Beelitz auf sich. Hoch-Zeit bei den Hochzeiten im Trausaal, der bis zu 32 Gästen Platz bietet, war das Jahr 2017 mit 124 Eheschließungen, zu denen immerhin 59 Paare „von außerhalb“ gekommen sind, wie Angela Harnack sagt.
Die Verliebten kommen selbst von der Insel Rügen, aus München, Hamburg, Stuttgart oder aus der Partnerstadt Ratingen in Nordrhein-Westfalen zum Heiraten in das historische Gebäude der einstigen Posthalterei in der Poststraße. Gut die Hälfte der Auswärtigen sind Berliner und Potsdamer.
Auch Annemarie und Jürgen Werner, die 2011 von Berlin nach Seddin gezogen sind, erinnern sich noch gerne an ihre Eheschließung im Dezember 2012. Schon die Stadt Beelitz mit ihren „historischen Häusern“ habe ihnen sehr gefallen. Vom schönen Trausaal hatten sie gehört und „der hat es uns dann auch gleich angetan“, erzählt die 64-Jährige. Ihr 74-jähriger Gatte, ein „absoluter Goethefan“, fand den Saal, der gern auch als Goethesaal bezeichnet wird, „sehr ansprechend“. Der deutsche Dichterfürst indes ist laut Fließ auf dem Weg von Weimar nach Berlin bereits 1786 durch Beelitz gereist – also schon vor der Errichtung der Posthalterei im Jahr 1789, die bis 1871 die Geschäfte in der Poststraße geführt hat. Sei’s drum. Jürgen Werner hat sich trotzdem über die Goethe-Büste im Trausaal gefreut.
Und so wie den beiden Seddinern gefallen vielen Brautleuten und Gästen allein schon die historische Postkutsche und der schmale hölzerne Treppenaufgang mit den Wandmalereien im Flur der Alten Posthalterei. Diese sind im ebenerdigen Bereich, der sogenannten Durchfahrt, restauriert. Bereits dort entfahre so manchem Gast ein „Wow“, erzählt Standesbeamtin Anna Herrmann. Sehen sie dann den Saal, gebe es Aah- und Ooh-Rufe und „viele Leute sagen, dass er im Original noch viel schöner ist als auf unserer Internetseite“, ergänzt Kollegin Cindy Demko. „Wer erst mal guckt, bleibt hier”, weiß Angela Harnack von den Beratungsgesprächen. Viele seien echt überrascht, „dass Klein-Beelitz so einen tollen Saal hat“. Für 2019 gibt es bereits rund 60 Terminreservierungen.
Ein Plus des Standesamtes ist zudem der hübsche Innenhof, in dem die Gesellschaften mit Sekt- oder kleinen Cateringempfängen aufwarten und zur Fotosession bereit sind. „Künftig wird es auch an der Nieplitz einen Pavillon für Eheschließungen geben“, kündigt Bürgermeister Bernhard Knuth an, der sich über den großen Zuspruch des Trausaales und den zusätzlichen Imagegewinn für die Stadt freut. Nicht zuletzt profitieren die hiesigen Gewerbetreibenden von den Hochzeitsgesellschaften.
Außergewöhnliche Trends machen sich in Beelitz nicht bemerkbar. Die Bräute wollen immer noch gern Prinzessinnen sein und „außer Rakete und Schiff“ rollten hier wohl schon sämtliche Fahrzeuge vor, berichten die drei Standesbeamtinnen. Etwa dreimal im Jahr geben sich gleichgeschlechtliche Paare das Ja-Wort und immer wieder auch polnische Spargelstecher, die hier ihre große Liebe gefunden haben. Das Bedürfnis, sein Eheversprechen von einst nach Jahren zu erneuern, ist „nur vereinzelt“ spürbar. „Das wird im Standesamt auch nicht offiziell beurkundet“, stellt Angela Harnack klar. Dann fällt der langjährigen Standesbeamtin doch noch ein, was als neues Ritual beliebt geworden ist: Brautführer, die man sonst nur in der Kirche kennt. Meistens ist es der Vater, manchmal sind es Brüder oder Kinder, die die Braut dem Bräutigam übergeben. „Aber dann ist es jedes Mal ein besonders erhebendes Gefühl, wenn wir die Tür zu unserem schönen Trausaal für sie öffnen“, schwärmt Angela Harnack.
Artikelfoto: Die Beelitzer Standesbeamtinnen Anna Herrmann, Angela Harnack und Cindy Demko (v.l.) im Trauzimmer der Stadt, dem historischen Goethesaal in der Alten Posthalterei.
Text und Fotos Claudia Krause
Views: 26